Heute in der Reflexion: Der Ratschlag.

Ich schaue auf herausfordernde Wochen zurück. Der Ausblick auf die kommenden ist ungewiss. Ich treffe einen alten Begleiter, mit dem ich schon in der Vergangenheit etwas "auf Kriegsfuß" stand: den Ratschlag. Und nach einiger Reflexion komme ich zu folgendem Fazit:

Oft ist er gut gemeint, selten führt er wirklich zu Verbesserung und niemals findet er auf Augenhöhe statt. Blicke ich wohlwollend auf den Ratschlag so erkenne ich an, dass Ratschlag-Gebende in erster Linie helfen möchten, die Situation des Ratschlag-Empfängers zu verbessern. Ein "guter Ratschlag" setzt voraus, dass ich als Ratschlag-Gebender bereits in einer ähnlichen Lage war und durch die Umsetzung meines eigenen Ratschlages eine Situation lösen oder zumindest verbessern konnte. (Natürlich ist auch das Ausschlussprinzip à la "Mach es nicht so! Das hat bei mir nicht funktioniert." möglich.)

Da ich eine überzeugte Sozial-Konstruktivistin bin, sind diese Voraussetzungen nur bedingt realistisch. Denn selbst wenn die Situation eine ziemlich ähnliche war und ich sie durch entsprechendes Handeln oder Verhalten lösen konnte, so ist mein Blick auf die Welt ein anderer als der meines Gegenübers. Damit Ratschläge "helfen" können, müssten Ratschlag-Empfänger und Ratschlag-Geber im Hinblick auf ihre sozialen Systeme, ihre Weltanschauung, Überzeugungen und Prägungen also ziemlich kongruent sein.

Da das eher selten der Fall ist, habe ich meine Erfahrungen mit Ratschlägen gemacht. Als (gefragte und ungefragte) Ratschlag-Empfängerin, aber auch als -Gebende. Deshalb vermeide ich Ratschläge soweit es mir möglich ist und bin eher bemüht, Perspektiven zu erweitern. Ich erzähle lieber Geschichten und mache damit Angebote. Ich stelle Fragen, die neue Optionen ermöglichen und lasse offen, für welche sich mein Gegenüber entscheidet. Und ich bin nicht enttäuscht, wenn es keine davon oder eine ganz andere ist.

Was es dazu bedarf ist die Tiefe Überzeugung, dass jeder Mensch den für ihn richtigen Weg und die für ihn richtige Lösung in sich trägt. Nach dem Prinzip: "In dir ist die Kraft, die du brauchst, die Geduld, die dir zu fehlen scheint, die Idee, die dich weiterbringt."

Bitte lassen Sie mich noch kurz unterscheiden: Die Grundlage meiner Gedanken sind Ratschläge in Situationen, die komplex, individuell und emotional behaftet sind. Auch ich hole mir Ratschläge von Experten ein, wenn es zum Beispiel um die Lösung eines technischen Problems geht und bin dankbar für einen Anstoß, der schnell zum erwünschten Erfolg führt. Hier noch einmal ein Dankeschön an alle Mitarbeiter/innen etwaiger IT-Abteilungen, die mich jemals an der Strippe hatten.

Wie stehen Sie zu Ratschlägen? Haben Sie welche für mich? Ich freue mich auf Ihre Geschichten, Ihre Perspektiven oder Ihre Fragen.

 

Mit herzlichsten Grüßen zum Sommer, Ihre Jessica Calaminus