Bäm! Da war er, der Moment, in dem mir ein wildfremder Mann den Titel Hausfrau verlieh. Er kannte mich weder persönlich noch hatte er sich mit den beruflichen Stationen meines Lebens auseinandergesetzt. Der Mann, der unsere Finanzierungsoptionen prüfte, ging nur vom Hier und Jetzt aus. Ein Hier und Jetzt, in dem er nicht das sah, was ich sah. Hochschulabschluss, zehn Jahre Berufserfahrung mit regelmäßigem gutem Einkommen, eine weitere Ausbildung zum Systemischen Coach und die Entscheidung, in die Selbstständigkeit zu gehen, die unbedingt logisch und erfolgversprechend schien. Ein Hier und Jetzt in dem ersten Monat meiner Selbstständigkeit, der natürlich noch kein zu beurteilendes Einkommen auswies.
Ich schmunzelte, denn ich hätte kein Problem damit gehabt, als Hausfrau betitelt zu werden, wenn es erstens der Realität entspräche und ich mich zweitens selbst dazu entschieden hätte. Ich versuchte mit der Situation humorvoll umzugehen, machte den ein oder anderen Witz darüber und freute mich, eine weitere Lebensanekdote in petto zu haben.
Und dennoch passierte etwas. Diese leise Stimme, die da ganz hinten in meinem Kopf, bisher aber noch kaum hörbar, bekam Zuspruch. Diese Stimme, die mich fragen möchte, was, wenn es nicht klappt? Was, wenn du keinen Erfolg hast? Was, wenn all das Knowhow, die Persönlichkeit nicht reicht, um selbstständig erfolgreich zu sein? Das Resultat waren zwei Tage, in denen ich haderte und ehrlich überlegte, ob es nicht besser wäre, diese wahnwitzige Idee wieder zu verwerfen. Zwei Tage, in denen ich überlegte, ob es wirklich sinnvoll sei, diese Akquise-Mail zu verschicken oder mich nicht besser dem Berg an Bügelwäsche zu widmen.
Und dann tat ich etwas, das wesentlich sinnvoller war als hadern. Ich prüfte diese Situation auf ihre Chancen. Was kann ich lernen? Etwas über mich selbst? Etwas über meine Profession als Coach und Berater? Eine Selbsterfahrung, die hilfreich für meine Arbeit mit Klienten sein kann? Ich hörte der leisen Stimme zu und ließ sie mit meiner rationalen Stimme in Dialog treten. Sie einigten sich darauf, dass es wohl sinnvoll ist, der Sache Zeit zu geben. Und dass es ebenso sinnvoll ist, optimistisch zu bleiben. Denn wirklich beurteilen, ob mein Plan von Erfolg gekrönt ist, werde ich wohl erst in der Zukunft.
Und dennoch war es gut, der leisen Stimme zu versprechen, nicht unachtsam zu sein und tätig zu bleiben. Damit war sie erst einmal zufrieden und ich ziemlich aufgeräumt.
Für meine Arbeit als Coach und Berater war diese Selbsterfahrung insofern hilfreich, wieder selbst zu spüren, wie das Bild, das andere Menschen von uns haben, Einfluss auf das eigene Denken, Fühlen und Handeln hat. Und, dass es meist die kleinen Schritte sind, die große Effekte erzielen.
Insofern, vielen Dank, lieber Finanzberater, für diese Selbsterfahrung!
Ihre Jessica Calaminus
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